Bäume umarmen
Der Gedanke zum Wochenende: Lüder Laskowski über Baumriesen, eigene Grenzen und die göttliche Lebenskraft
Groß stand die Linde vor mir, so hoch und dicht belaubt, dass ich nicht in ihre Spitze sehen konnte. Gelehnt an die rissige Rinde legte ich meine Arme um ihren Stamm. Kaum ein Viertel umgriff ich. Es hatte geregnet, noch tropfte es von den Blättern. Der frische feuchtwarme Duft weitete meine Brust. Auch im Wipfel viel Leben. Weit oben sah ich Meisen springen und einen Specht. Vor meiner Nase krabbelten Ameisen in den tiefen Furchen. Es rauschte, raschelte, pfiff im umgebenden Wald.
Vor einem jahrhundertealten Baum bin ich ganz klein. Demütig werde ich und zugleich fühle ich mich geborgen. Überwölbt mich ein solcher Koloss, spüre ich meine eigenen Grenzen, vor allem die zeitlichen. Ich werde ein kleiner Knoten im großen Lebensnetz, das die Erde umspannt. Obwohl ich damit nicht mehr im Mittelpunkt stehe, fühlt sich das gar nicht schlecht an. Denn das Ganze ergibt sich aus der Summe seiner Teile und ist doch zugleich viel mehr. Der Apostel Paulus verbindet diese Gedanken und Gefühle mit Gott, wenn er sagt: „Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – ist erkennbar geworden – und zwar an dem, was er geschaffen hat.“
Lüder Laskowski, Pfarrstelle „Stadtentwicklung – Sozialraum – Öffentlichkeit“
Foto: Birgit Arndt (fundus-medien)