„Das wird man wohl noch sagen dürfen!“
Michael Brugger über einen Protestfeiertag
„Das wird man wohl noch sagen dürfen!“ heißt es oft, wenn jemand mit seiner Meinung aneckt. Meist kommt der Satz hinter solchen Aussagen, mit denen Grobes, Pauschales und nicht selten Menschenverachtendes in die Welt gebracht wird. Die Meinungsfreiheit erlaubt es, vieles zu sagen. Und sie erlaubt es auch, jederzeit zu widersprechen. Da sollte niemand eingeschnappt sein.
„Das muss jetzt mal gesagt werden!“ dachte sich womöglich auch Martin Luther, als er seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel in Umlauf brachte. Er kritisierte das kirchliche Geschäft mit der Angst und brachte damit eine riesige Protestwelle in Gang. Im Zuge der Reformation entstanden die evangelischen – protestantischen – Kirchen, Europa wurde umgewälzt.
Mit dem Reformationstag haben dieser Protest und seine Folgen einen Feiertag. Ich nehme den Tag zum Anlass, um Luthers Thesen näher anzuschauen: Einfach formuliert und bisweilen polemisch, aber insgesamt differenziert und schlüssig. Luther geht es um die Sache und um ehrlichen, ernsthaften Austausch. Er nennt den Machtmissbrauch beim Namen und schlägt Verbesserungen für die Ausgebeuteten vor. Nicht ächzen und raunen, sondern den Menschen sehen, denken, unterscheiden, Lösungen im Blick haben. So anzuecken, finde ich gut. Meinungen solcher Art verdienen einen Feiertag.
Michael Brugger, Krankenhausseelsorger Klinikum Sankt Georg Leipzig
Foto: Bettina Schuck-Goebel (fundus-medien)




