“Demut”
Gedanken über Entspannung
Nach Jahresbeginn hatte ich ein paar Tage Urlaub. Zeit für Entspannung – außen und innen. Also stelle ich mir eine schöne Tasse Heißgetränk auf den Tisch, lege die Füße hoch und atme tief durch. Irgendwann greife ich zur Fernbedienung. “Nur ein bisschen zappen” denke ich. Bald aber kann ich gar nicht mehr anders, als von einem Programm ins andere zu wechseln – oder vielmehr zu flüchten. Denn auch mit kürzer werdenden Abständen, ist es kaum auszuhalten: wie Alice die Schergen anheizt – zapp – Donald die Grenzen verwischt – zapp – Elon Wahlempfehlungen gibt und – zapp – Friedrich, könnte man meinen, sich gern daran halten will, aber nicht aus seiner Partei kann – zapp – Höllenfeuer in Kalifornien. Von Entspannung keine Spur. Zapp. Friedensverhandlungen in Israel. Ich halte kurz an und merke, dass ich unwillkürlich Daumen drücke. Dann schalte ich ab. Als ich die Fernbedienung weglege, liegt daneben aufgeschlagen ein Wort aus dem Philipperbrief: “[…] in Demut achte einer den andern höher als sich selbst.”
“Das würde helfen”, denke ich – beim Frieden und bei Entspannung. Zumindest der äußeren. Und die innere kommt vielleicht hinterher. Auf den Versuch käme es an.
Also stehe ich auf und gehe los, hinaus, einen Besuch machen. Ganz entspannt. Irgendwo muss man ja anfangen.
Sebastian Schirmer ist Evangelischer Pfarrer im Leipziger Südosten
Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de
Foto: Lehmann (gemeindebrief.evangelisch.de)