Die Autos haben’s wärmer

Es riecht unangenehm nach Chlor. Die kaputten Fenster sind größtenteils mit Brettern vernagelt, in einem klafft dennoch ein großes Loch. Es ist der Essensraum für Geflüchtete in einer der neuen Zeltunterkünfte. Von der heruntergekommenen Baracke geht es hinüber in die 6 Zelte, eingeteilt in Parzellen mit jeweils 4 Betten, ohne Tür, mit zentralem Neonlicht. 56 Menschen sollen hier pro Zelt unterkommen. Über den Hof gibt es sanitäre Einrichtungen in Containern.

Menschen aus dem Stadtteil sind gekommen, um sich ein Bild zu machen. Sie kommen ins Gespräch mit den Mitarbeiterinnen der Stadt und des Betreibers. Es ist ein freundliches Aufeinandertreffen. In den Aussagen der lokalen Verantwortlichen ist Ohnmacht zu hören: “Mehr können wir gerade nicht bieten.“

Ich bin berührt, wie viele ihre Hilfe anbieten mit Spenden, Beschäftigungen wie Hausaufgabehilfe, gärtnern… Die Bereitschaft für zivilgesellschaftliches Engagement steht in klarer Abgrenzung zu Vorurteilen und Missgunst, die an anderer Stelle geschürt werden.

Unter den Anwesenden macht sich angesichts der Trostlosigkeit große Betroffenheit breit. Es stellt sich die Frage nach Würde. „Die Autos in den gläsernen, beheizten Autopalästen haben’s wärmer“, sagt jemand. Das ist emotional, legt aber den Finger in die Wunde, was und wer uns in unserer Gesellschaft wirklich etwas wert ist. Die Bibel, für mich Leitfaden, ist da eindeutig und solidarisch: Ihr werdet gemessen am Umgang mit den Schutzlosesten, nicht zuletzt mit den Fremden.

von Anna-Maria Busch, Pfarrerin im Südosten Leipzigs

 

Erstaufnahmelager, Foto: Christian Schauderna (fundus-medien)