Die Versuchung des Hirten

Von Gregor Heidbrink

„Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe…“, sagt Jesus.

„Aber, Jesus“, sagt der Teufel, „was kostet schon ein Schaf? 50 bis 100 je nach Rasse. Willst du dafür sterben?“

„Ich meine ja nicht wirklich Schafe, sondern Menschen. Es geht um ihre Erlösung!“

„Für Menschen leiden? Auch der Preis ist zu hoch. Da stell ich dir lieber ratzfatz ein paar neue hin. Ich biete… Sag, machst du einen Unterschied zwischen Rassen?“

„Nein, mache ich nicht.“

„Also gut“, sagt der Teufel, „dann mache ich Dir das Stück für 60. 8,3 Milliarden Menschen kosten 498.000.000.000. Weniger als ein Sondervermögen. Für einen Gott wie dich ist das ein Klacks. Dafür kriegst du eine komplett neue Menschheit. Die Menschen, die ich mache, kommen ohne freien Willen. Einheitsgröße. Von Natur aus gut und leistungsfähig. Die fressen Dir nicht den Planeten leer. Kein Böses mehr dank Gentechnik. Greif zu, so billig kriegst du es nicht wieder.“

„Nein danke“, sagt Jesus, „dir fehlt der Blick für den Einzelnen. Und ich stehe nicht auf Einheitsgröße. Mann oder Frau, Kind oder Rentner. Marathon oder pflegebedürftig. Keiner ist mir zu teuer. Sie sollen alle hören, dass sie es mir wert sind. Ich werde gehen und rufe sie zu mir. Denn ich bin nicht einfach nur irgendein Gott, ein König oder höheres Prinzip. Ich bin“, sagt Jesus, „ein Hirte.“

 

Gregor Heidbrink, Missionsdirektor des Diakonischen Werkes Innere Mission Leipzig e.V.

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Schafherde und Schäfer, Foto: Christian Schauderna (fundus-medien)