Ecce homo – Auch nur ein Mensch

Anna-Maria Busch über den Blick auf Mitmenschen

„Du bist auch nur ein Mensch.“ Das sagt eine Frau verletzt und enttäuscht zu ihrer Freundin. Doch es schwingt auch Erleichterung mit: Die weiß und kann es also auch nicht besser. Die andere hat auch Grenzen, schwebt nicht in anderen Sphären. Die ist genauso auf den liebevollen Blick durch andere angewiesen wie sie selbst.

Als in Stötteritz die Kirchgemeinde, Bürgerverein, Studienhaus und engagierte Bürger mit der Notunterkunft gemeinsam überlegten, wie wir die Fahrradwerkstatt für und mit Geflüchteten am besten organisieren, fiel in der Runde eben dieser Satz: „Das sind ja auch Menschen.“ In diesem Kontext ist das nicht unproblematisch. Als müsste das eigentlich Selbstverständliche nochmal extra benannt werden: Menschen aus anderen Kulturkreisen, die bei uns Schutz suchen, haben die gleiche Würde. Dennoch ist es eine Vergewisserung: wir begegnen uns in all unserer Unterschiedlichkeit auf Augenhöhe. Als Menschen.

Am Portal der Paul-Gerhardt-Kirche in Connewitz ist ein Mosaik von Jesus. „Ecce Homo“ steht da geschrieben. Das ist dem Johannesevangelium entnommen, als der gefolterte Jesus von Nazareth dem Volk vorgeführt wird. Der römische Statthalter Pilatus sagt über ihn: „Seht, ein Mensch.“, auf Latein „Ecce homo“. In der Kunstgeschichte hat diese Szene Künstler und Künstlerinnen inspiriert, die Verletzlichkeit eines Menschen darzustellen. Selbst Gott in Menschengestalt ist verletzlich. Genau wie du.

Ecce homo- auch (nur) ein Mensch rührt an unserer Mitmenschlichkeit. Sehen wir uns um: das sind alles „nur“ Menschen wie wir selbst.

Anna-Maria Busch, Pfarrerin im Südosten Leipzigs
Anna-Maria.Busch@evlks.de

 

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