sitzende Menschen von hinten, gesehen durch eine Brille

Mit anderen Augen

André Krause über unverhoffte Hilfe, wenn kein Ausweg in Sicht ist

Sein Blindenstock fällt mir sofort ins Auge. Ein älterer Herr wartet an der Ersatzhaltestelle am Straßenrand auf den Bus. Hier gibt es kein Blindenleitsystem auf dem Boden, an dem sich der Mann orientieren könnte. Der Bus hält vor ihm an. Er versucht tastend an einer Stelle einzusteigen, wo gar keine Tür ist. Alle anderen sind schon längst im Bus. In diesem Moment zupft ihn ein kleiner Junge mit Schulranzen am Ärmel und zieht ihn ein Stück auf die Seite. Dorthin, wo die offene Tür ist. Beide steigen ein und der Bus fährt ab.

Die Szene hat nicht einmal zwei Minuten gedauert und doch geht sie mir lange nach. Die Hilflosigkeit des blinden Mannes bewegt mich. Wie ihn die Umstände an der Haltestelle behindern. Der kleine Junge begeistert mich. Aufmerksam und mutig erfasst er die Situation und tut genau das richtige. Ein echtes Vorbild.

Mich erinnert die Szene an einen Bibelvers: Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten. (Psalm 32 Vers 8). Ich finde mich darin wieder:  Manchmal bin ich wie blind, finde den Zugang nicht oder verlasse den richtigen Weg. Es tröstet mich zu lesen: Gott will, dass ich ans Ziel komme. Wenn meine Augen versagen, wollen seine Augen die Führung übernehmen. Er ist da und will mich dorthin lenken, wo eine offene Tür ist. Und ich ahne, manchmal tut er das durch ein Kind. Gott sei Dank!

André Krause ist Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) Leipzig

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Lutz Neumeier (fundus-medien)