Ortsspektakel
Sebastian Schirmer über das 1813-Gedenken
Wenn in Liebertwolkwitz die Straßenschilder mit Jutesäcken überhängt werden, Pferdefuhrwerke und Menschen wie vor 200 Jahren gekleidet unterwegs sind, dann heißt es alljährlich: “Ein Dorf im Jahre 1813”. Manche finden es vielleicht nett, einige nur sonderbar, andere kriegsverherrlichend und wieder andere ganz zauberhaft.
Ich streunte schon im vergangenen Jahr über die Plätze und Höfe dieses bunten Treibens – manchmal konfrontiert mit Beschwerlichkeiten vergangener Jahrhunderte, die mir heute gänzlich fremd geworden sind; dann wieder vergnügt, angesichts der verbindenden Spiele und Tänze, der Musik, bis hin zu den Abenden am Lagerfeuer.
Nein, ich denke nicht, dass das Grauen der Geschichte hier vergessen wird. Auch weil Rundgänge und Friedensandachten in der Kirche wieder daran erinnern werden, dass Liebertwolkwitz 1813 kein Ort der fröhlichen Völkerverständigung war, sondern sich um die Kirche Leichenberge türmten und ringsum Gebäude brannten. Aber ich ahne, dass solche Tage, an denen Gäste aus ganz Europa einträchtig bis in die Nacht bei Gesang und Getränk schunkeln, wohl bereits den Geist unserer Friedensandachten atmen und bei dem helfen, was der Prophet Micha „Liebe üben“ nennt (Mi 6,8).
Ein gesegnetes Wochenende für Sie und vielleicht sehen wir uns ja in Liebertwolkwitz.
Sebastian Schirmer ist Evangelischer Pfarrer im Leipziger Südosten
Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de
Foto: Lutz Neumeier_fundus-media