Sag ihnen …

Wolfgang Menz gibt weiter, was ihm aufgetragen wurde:

Nachdem wir dicht nebeneinander platziert wurden, kamen wir uns näher. Eine Woche lang standen unsere Betten nur 1 ½ Meter auseinander. Als der Dritte in unserem Krankenzimmer nach der Besuchszeit tief atmete und einschlief, sprach mein Bettnachbar über sich. Zu mir – vertrauensvoll, ungeschützt. Ich werde seinen Lebensbericht für mich behalten. Nur so viel: Fünfzehn Jahre Heroinabhängigkeit hinterließen ihre Spuren. Und hatten eine Vorgeschichte, zu der gängige Einordnungen – wie Schuld, Verantwortung, Ausweg – nicht ohne ergänzende Überlegungen passen wollen.

Mir wurden von meinem Bettnachbarn Begegnung und Einblick erschlossen, wie sie mir in gewohnter Umgebung kaum möglich gewesen wären. Glaubwürdig empfand ich seinen Bericht. Nicht Mitleid provozierend, aber einladend zur Sympathie. Mir öffnete sich der Blick wie durch ein Fenster in einen anderen Lebensraum.

Ich fragte meinen Zimmergenossen: Was würdest du anderen Menschen gerne mitteilen, die – wie ich – mit (ehemaligen?) Drogenabhängigen sonst keine Berührungen haben?

Pause und dann die Mitteilung, die ich in seinem Sinn nun weitergebe: „Sag ihnen, dass ich nicht ansteckend bin. Redet doch mit mir. Ich bin kein böser Mensch.“

Wolfgang Menz ist Sozialpädagoge

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

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