Stürzen und Starten

Von Wolfgang Menz

„Der ängstliche kleine Spatz“ heißt das Kinderbuch von Jill Barlem. Gefiederte Geschwister starten aus dem Nest. Ein Kleiner bleibt mutlos zurück. Seine Spatzeneltern würden auch ihn in die Freiheit entlassen. Sie trauen ihm zu, was er sich selber nicht glaubt. Natürlich folgt ein Happy End im Kinderbuch: Der Ängstliche wagt es. Fliegt. Zögernd, jubelnd und hoch in die Lüfte. Auf den letzten Seiten gründet der Spatz eine eigene Familie. Will dann, wie einst seine Eltern, später an die Kraft Ängstlicher glauben. Und dass der Vater im Himmel auch sie tragen wird.

Gar nicht romantisch: Meine Freundin. Sie sitzt mit hängenden Flügeln. Bruchlandung an der Schnapsflasche. Was soll ich sagen, dass sie nicht schon selber wüsste und doch nicht wissen will?

Mir bleibt nur, den Glauben an sie nicht zu verlieren. Vielleicht kommt ihr Start erst von ganz unten. Hoffentlich aufsteigend in neue Höhen und Weite.

Bis dahin bleibt mir nur das doppelte Vertrauen der Spatzen: Auf die eigene, derzeit erlahmte Kraft meiner Freundin. Und auf die Erfahrung, dass der erforderliche Widerstand und Schwung sie dann schon erwarten werden.

Ich wüsste schon, was man machen würde. Theoretisch. Doch Apelle prallen ab. Stattdessen lerne ich wieder neu, wie ein Spatz hoffend zu warten: Sie wird es können wollen … wird. Und dass Gott sie mit Widerstand und Auftrieb umgeben will.

Wolfgang Menz ist Sozialpädagoge

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Foto: Pixabay