Verschließe nicht deine Augen

„Ich schaue keine Nachrichten mehr. Ich halte das nicht aus. Das viele Leid. Es belastet mich so sehr. Ich fühle mich völlig überfordert!“ Mein Gegenüber ist tief betroffen und kämpft mit den Tränen. Schweigen. Was wir an Bildern aus Syrien und der Türkei gesehen haben in den letzten Tagen macht uns sprachlos. Wir teilen unsere Eindrücke. Sprechen darüber, wie hilflos wir uns fühlen. Eine Antwort auf das Warum gibt es nicht. Mitleid wiegt schwer. Ist kaum zu tragen.

Also lieber wegschauen, das Elend ausblenden? Wir haben tatsächlich das Privileg, in den nächsten Kanal wechseln zu können und statt Reportagen den deutschen Fasching anzuschauen. Verrückte Welt! Ein Gegensatz, der uns ebenso zerreißt.

Wir reden über die vielen Hilfskräfte – auch aus Deutschland – die sich sofort auf den Weg gemacht haben. Wir staunen über kleine Wunder im Ozean der Not, wenn ein Kind unter den Trümmern geborgen wurde. Empfinden Dankbarkeit, dass viele Menschen Geld spenden. Sind beeindruckt von den Hilfsorganisationen, die jetzt vor Ort helfen, um die Not zu lindern. Männer und Frauen, die hinschauen, die sich bewegen lassen, innerlich und ganz praktisch.

Schweigen. Es tut gut, alles miteinander zu teilen. Beten hilft, das Schwere zu Gott hin zu klagen. So wächst neuer Mut, hinzuschauen und zu reagieren. Es bedeutet lebendig sein, menschlich sein. „Verschließe nicht deine Augen vor den Bedürftigen.“ (Jesus Sirach 4,1) Kein leichter, aber ein menschlicher Rat aus der Bibel in diesen Tagen.

André Krause, Pastor
Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten) Leipzig

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