EinBlicke

Über Dankbarkeit am Gartentor – Gedanken nicht nur von Wolfgang Menz

„Siebzsch … es zwickt schon öfters,“ sagt er und schließt die Gartenpforte. Ich bleibe stehen und erwidere: „Denken Sie mal: Unsere Nachbarin ist operiert. Der Mann von drüben bereits verwitwet. Wir beide wollen uns mal nicht beklagen.“ „Ja,“ stimmte mein Nachbar zu, „meine Frau und ich leben beide. Noch reicht die Kraft, anderen zu helfen. Gut so. Vor allem: Kein Streit! Ich bin auch sehr dankbar.“

Dann kam dieser Blick. Zum Himmel! Natürlich wissen wir beide, dass da oben nur Luft ist. Dahinter ganz viel. Dann noch mehr unbegreifliche Weite. Wir sind nicht die Typen zum Philosophieren. Am Gartenzaun legen wir auch nicht fest, wo Gott wohl gerade anzutreffen wäre. Wir sagen einfach: im Himmel oder überall.

Unsere Wege trennten sich. Er ging mit seiner Tasche zum Supermarkt – es war kurz vor Mittag. Ich ging mit meinem Werkzeug zum Gemeindehaus – es sollte etwas geleimt werden.

Dieser Blick. Der war genug. Die Richtung stimmte: Weg vom Zwicken und Zaudern. Hin zum Staunen. Es ist ein Geschenk, dass es uns beiden so unverdient gut ergeht. Ich weiß nicht, was mein Nachbar später vom Einkauf nach Hause trug. Das ist seine Sache. Aber ich ahne, was er bereits in seinem Herzen trägt: Unsere gemeinsame Sicht auf Gott und die Welt.

Dafür genügte zwischen uns ein Blick.

Wolfgang Menz, Sozialpädagoge
Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Hans-Georg Vorndran (fundus-medien)

Wahlcheck zur Stadtrats- und Europawahl

Verbindung im Verkehr oder zwischen Menschen

Friederike Ursprung über Brücken – und wie sie sich bauen lassen

Ist für Sie heute ganz einfach Freitag? Oder haben Sie vielleicht einen freien Brückentag, der zusammen mit dem Feiertag gestern für ein extra-langes Wochenende sorgt?

Brücken verbinden – nicht nur freie Tage. Sie schaffen Wege zueinander: über Flüsse, Straßen, Gleise.

Brücken zu bauen, erleichtert Reisen und Transporte – manchmal mit Riesen-Aufwand und spektakulärer Ingenieurskunst.

Und manche Brücken entstehen ganz ohne Pfeiler, Beton und Drahtseile. Auch sie sind oft nicht leicht zu bauen; es braucht dazu jede Menge Einfühlungsvermögen, diplomatisches Geschick und Geduld: um zu überbrücken, was Menschen trennt.

Nicht nur der Bau einer Brücke – technisch oder zwischenmenschlich – kann unendlich schwer fallen. Manchmal braucht es auch Mut, eine Brücke zu beschreiten: Wenn sie nur aus ein paar wackligen Holzplanken besteht. Oder aus einem vorsichtigen Satz, einem Vorschlag.

Es kann ein schwieriger Balance-Akt sein; nicht immer funktioniert er. Und oft dann doch – vielleicht mit einem neuen Versuch. Oder mit einen drittem, vierten, soundsovielten, bis es gelingt, dass Menschen zueinander kommen.

Im Grunde war schon der Himmelfahrtstag gestern eine Art Brückentag: Er erinnert an eine Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen.

Brücken tun gut: als Tag für mehr Urlaub, im Verkehr – oder im Leben!

Friederike Ursprung, evangelische Kirchenredakteurin bei Radio PSR
Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Hans Genthe (fundus-medien)

Identität: Europäerin

Anna-Maria Busch über die Errungenschaft des Friedens ins Europa

Haben Sie was von der Maastricht Debatte gehört? Keine Sorge, ich auch nur zufällig am Montag 20 Uhr. Da lief die Diskussion der Spitzenkandidatinnen für die anstehende Europa-Wahl bereits eine Stunde. Das sagt etwas über den (medialen) Stellenwert derselben, während ein TV-Duell mit einem Faschisten vor einigen Wochen diesem eine bemerkenswerte mediale Aufmerksamkeit sicherte.

Worauf richten wir also unser Augenmerk in Zeiten, in denen wir Frieden und Demokratie wieder als maximal bedroht erleben? An welchen (positiven) Narrativen richten wir uns aus?

Zu meinen Narrativen gehört, dass Europa und die Idee der Europäischen Union eines der größten Friedensprojekte der Postmoderne ist. Es ist eine Geschichte von der Versöhnung von Völkern, die nur ein paar Jahrzehnte zurückliegend sich gegenseitig erschossen, weil der eine Franzose und der andere Deutscher war, die sich gegenseitig atomar bedrohten und den Kontinent mit einem Eisernen Vorhang teilten. Meine Generation ist mit dem Segen eines zusammenwachsenden Europas sozialisiert, so dass es Teil meiner Identität wurde.

Reisefreiheit, eine gemeinsame Währung, eine junge Generation, die selbstverständlich in verschiedenen europäischen Städten studiert, die EU-Osterweiterung bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – derartige Errungenschaften sind nicht vom Himmel gefallen. Es sind Menschen, die von der Idee eines friedlichen demokratischen Europas träumen, die nicht müde werden dafür zu arbeiten und versuchen, Probleme gemeinsam zu überwinden.

Frieden stiften, nennt das die Bibel poetisch.

Anna-Maria Busch, Pfarrerin im Leipziger Südosten

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Pixabay