Trotzige Zuversicht
Der Gedanke zum Wochenende: Wolfgang Menz über ein Nachbarschaftstreffen, den Herrnhuter Stern und den Blick nach hinten, oben und nach vorn
Wir werden Sonntag, gemeinsam mit unseren Nachbarn, den Herrnhuter Stern an den Giebel unseres Hauses ziehen. Wieder. Als wäre nichts geschehen? Natürlich ist viel passiert im letzten Jahr. Ein ganzes Knäuel von Krisen. Trotzdem trinken wir Glühwein und schauen auf einen leuchtenden Stern. Ignorant? Kitschig?
Diese etwas trotzige Zuversicht hängt bei mir am Glauben: Da oben ist doch wer. Lässt uns nicht allein. Gerade vom Advent heißt es doch, dass ER uns unbedingt nahe sein will. Allerdings nicht, damit alles so bleibt wie es ist.
Über Jahrhunderte bündelt die Bibel Lebens- und Glaubenserfahrungen. In ihr begegnen uns Krisen. Menschen wie wir erlebten, ihre Zeit nicht im Griff zu haben. Darauf richtet sich der Blick zurück.
Der Blick nach oben entfacht – tröstend, aber eben auch ernüchternd – Zuversicht. Unsere Hände können nicht alles im Griff haben. Und haben manches leider bereits unwiederbringlich erdrückt.
Im besten Fall entsteht daraus die Freiheit, nüchtern, aber nach vorn, zu schauen. Dabei hoffentlich den einen Zipfel zu entdecken, an dem ich ziehen kann. Den großen Zug erwarte ich von Gott. Advent.
Damit wäre ich wieder beim Stern an unserem Giebel. Bei Gottes Zusage: Ich komm. Ich schau auch nicht weg. Na, dann versuche ich es eben: ein Blick zurück. Einen nach oben. Und dann nach vorn.
Wolfgang Menz, Sozialpädagoge
Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de
Foto: Walter Müller-Wähner (fundus-medien)