Sag ihnen …

Wolfgang Menz gibt weiter, was ihm aufgetragen wurde:

Nachdem wir dicht nebeneinander platziert wurden, kamen wir uns näher. Eine Woche lang standen unsere Betten nur 1 ½ Meter auseinander. Als der Dritte in unserem Krankenzimmer nach der Besuchszeit tief atmete und einschlief, sprach mein Bettnachbar über sich. Zu mir – vertrauensvoll, ungeschützt. Ich werde seinen Lebensbericht für mich behalten. Nur so viel: Fünfzehn Jahre Heroinabhängigkeit hinterließen ihre Spuren. Und hatten eine Vorgeschichte, zu der gängige Einordnungen – wie Schuld, Verantwortung, Ausweg – nicht ohne ergänzende Überlegungen passen wollen.

Mir wurden von meinem Bettnachbarn Begegnung und Einblick erschlossen, wie sie mir in gewohnter Umgebung kaum möglich gewesen wären. Glaubwürdig empfand ich seinen Bericht. Nicht Mitleid provozierend, aber einladend zur Sympathie. Mir öffnete sich der Blick wie durch ein Fenster in einen anderen Lebensraum.

Ich fragte meinen Zimmergenossen: Was würdest du anderen Menschen gerne mitteilen, die – wie ich – mit (ehemaligen?) Drogenabhängigen sonst keine Berührungen haben?

Pause und dann die Mitteilung, die ich in seinem Sinn nun weitergebe: „Sag ihnen, dass ich nicht ansteckend bin. Redet doch mit mir. Ich bin kein böser Mensch.“

Wolfgang Menz ist Sozialpädagoge

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Pixabay

Prüfen und Gutes erkennen

Friederike Ursprung über die biblische Jahreslosung für 2025

Der Jahreswechsel ist oft Zeit zu überlegen: Was läuft gut? Was sollte ich verändern? Welche Neuerung kann für mein Leben sinnvoll sein?

„Prüft alles, behaltet das Gute!“ Dieser Rat des Apostels Paulus begleitet Christen durchs neue Jahr. Mitte des ersten Jahrhunderts schrieb er ihn an die Gemeinde in Thessalonich, die um verschiedene Wege und Möglichkeiten stritt. Da mischt er sich nicht etwa mit einem Machtwort ein, sondern rät zur Aufgeschlossenheit: Prüft alles, behaltet das Gute!

Wie soll das gehen mit dieser Prüfung? Woran erkenne ich das „Gute“?

Vor allem, wenn es nicht um eine neue Waschmaschine oder Versicherung geht, für die ich Testberichte mit Plus- und Minuspunkten auswerten kann?

Paulus’ Rat eröffnet die Freiheit, immer wieder neue Möglichkeiten auszuloten. Auch: etwas auszuprobieren und wieder zu verwerfen, wenn es sich doch nicht als gut entpuppt. Also Folgen und Nutzen kritisch zu hinterfragen, dann zu urteilen – und das schließlich so umzusetzen, dass das Gute auch bestehen kann!

Damals ging es um Fragen von Glauben, Frömmigkeit und Zusammenleben. Übertragen lässt es sich heute auf Technologien und ihre Folgen, auf die Politik im Bundestags-Wahljahr – und wie schon bei Paulus auf Zusammenleben und Glauben.

Beim Prüfen ist also neben aller Freiheit auch Verantwortung gefragt – denn das Gute ist ja nicht einfach das, was mir gerade am besten passt!

Friederike Ursprung, evangelische Kirchenredakteurin bei Radio PSR

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

Wer regiert?

Anna-Maria Busch von guten Mächten

Rück- und Vorausschau steht in diesen Tagen zwischen den Jahren an. Wie schauen Sie auf dieses zurückliegende Jahr, das mit den Veröffentlichungen zu „Potsdam“ begann und mit der Vertrauensfrage und dem Suchen nach konsensfähigen Mehrheiten endet?

Es gibt gerade sehr viel, was gesellschaftliche Gewissheiten und unseren Zusammenhalt auf die Probe stellt. Ganz unweigerlich stellt sich die Frage, wer regiert: die Angst oder das Vertrauen, unser Miteinander gemeinsam gestalten zu können?

Das ist eine persönliche Frage und zugleich eine gemeinschaftliche.

Mir tut es gut, wenn ich mich an das Vertrauen, das andere in viel herausfordernden Situationen hatten, anlehnen kann. Und an ihren Mut, nicht zuletzt durch Wahrhaftigkeit und Klarheit gegen Menschenverachtung Verantwortung zu übernehmen.

Einer von denen, an die mich anlehne, ist Dietrich Bonhoeffer. Er hat im Dezember 1944 ein Gedicht an seine Liebsten geschrieben. Da saß er bereits im Gestapo-Gefängnis. Er wurde am 9. April 1945 im KZ-Flossenbürg hingerichtet.

Bonhoeffer schrieb in der Einsamkeit seiner Zelle und mit der zunehmenden Ahnung dessen, was auf ihn zukommt, die Zeilen jenes Liedes, das wir am Silvesterabend so oft in den Kirchen singen. Es erzählt vom Vertrauen, das über alle Angst vor dem, was wir zu verlieren fürchten, erhaben ist.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Mit diesen Worten wünsche ich Ihnen einen gesegneten und vertrauensvollen Übergang ins neue Jahr.

Anna-Maria Busch, Stadtjugendpfarrerin Leipzig

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Pixabay

Eine Weihnachtskrippe mit dem Jeuskind, Maria und Josef, den Heiligen Drei Königen, Schafen und anderen Tieren.

Erwartungsvoll

André Krause über Erwartungen an Weihnachten

Gerade ist der ICE in den Leipziger Hauptbahnhof eingefahren. Die Türen öffnen sich, und unzählige Menschen steigen aus. Ich stehe bereit, um unsere Tochter in Empfang zu nehmen. Mit mir warten viele andere, die nach bekannten Gesichtern Ausschau halten. Mich fasziniert dieser Moment: die Wiedersehensfreude derer, die sich in die Arme fallen, suchende Blicke und manchmal auch enttäuschte Gesichter, wenn niemand wartet.

Wen oder was erwarten Sie an Weihnachten? Gott kam in unsere Welt, das feiern wir an Weihnachten. Sehnsüchtig wurde er erwartet und doch hatte niemand so mit ihm gerechnet. Ganz unverhofft, als kleines Kind, kam er in die Welt: Jesus, der Sohn Gottes. Er brachte Frieden für alle Menschen. Frieden, der jene erfüllte, die den Sohn Gottes in Empfang nahmen.

Die Sehnsucht ist heute dieselbe wie damals. Nach Frieden, nach Geborgenheit, nach gerechten Zuständen – in meiner kleinen und in der großen Welt. Was kann ich an Weihnachten erwarten? Dass Gott mit seinem Frieden kommt. Unverhofft und ganz anders, als ich es mir vorstelle. Bereit sein, erwartungsvoll will ich sein an Weihnachten. In dem Bewusstsein: Jesus soll zuerst bei mir ankommen und mit ihm sein Friede, um dann die Welt zu verändern. Im Kleinen wie im Großen.

Gott gibt sein Versprechen, dass er kommt. Bereit will ich sein und erwartungsvoll gespannt. Die Vorfreude auf Weihnachten wächst.

André Krause ist Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) Leipzig

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Bernd-Christoph Matern (fundus-media)

Jauchzet! Frohlocket!

Daniel Heinze über Weihnachten als Zeit der Musik

Ist etwas wirklich wichtig und bedeutend, dann gibt es mit Sicherheit Lieder darüber. Das beste Beispiel ist die Liebe – wie schön ist es, geliebt zu sein und andere zu lieben. Deshalb singen Menschen auch so viel davon. Nicht zu vergessen all die Songs über Liebeskummer und Beziehungsstress! Es gibt Lieder über das Feiern, Balladen über den Sinn des Lebens, ironische Songs, die die Welt beschreiben oder auch unbeschwerte, alberne Gassenhauer, weil Spaß zu haben eben auch zum Leben gehört.

Ist etwas wirklich wichtig und bedeutend, dann gibt es Lieder darüber – das gilt ganz besonders für die Advents- und Weihnachtszeit. Von “Last Christmas” im Radio bis zu Bachs Weihnachtsoratorium in den Kirchen, von „In der Weihnachtsbäckerei“ bis „Stille Nacht“: Weihnachten ist die meistbesungene Zeit des Jahres.

Weil sie uns so am Herzen liegt. Eine Zeit, in der wir Kerzen gegen die Dunkelheit anzünden und uns mit Geschenken und gutem Essen versichern, wie gern wir uns haben. Für Christinnen und Christen ist der Kern dieser Zeit die Geburt von Jesus. Gott wird Mensch, lautet die frohe Weihnachtsbotschaft.

Das fällt definitiv in die Kategorie “wichtig und bedeutend” und es ist wunderbar, dass wir so viele Lieder, Choräle, Oratorien und Superhits rund um das Fest von Jesu Geburt kennen und sie immer wieder singen. Jauchzet! Frohlocket! Eine Weihnachtszeit voller Musik wünsche ich Ihnen und mir.

Daniel Heinze, Rundfunkjournalist

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: epd

“Nikolaus”

Gedanken über Verantwortung

“Große Kraft bedeutet große Verantwortung.” Mit diesem Satz verabschiedet Onkel Ben den jungen Peter Parker in das Heldenleben des Spiderman. Alle Helden und Antihelden der Comic-Literatur gehen auf ihre Weise mit diesem Satz um. Denn das, was Onkel Ben sagte, bewegt nicht erst seit Spiderman die Gemüter der Menschen. Weil es nicht so leicht ist, der Verantwortung gerecht zu werden. Auch darum tragen wir die Geschichten derer weiter, die den besseren Weg suchten oder der Verantwortung zumindest punktuell gerecht wurden. Dazu zählt der Nikolaus. Ein Held aus Myra, in der heutigen Türkei, um den sich zahlreiche Mythen ranken. Sie reichen vom einfachen Beschenken armer Kinder bis hin zur Bewahrung einer ganzen Stadt, unter anderem durch die Preisgabe der Kirchenschätze. Nun mag zwar die Kraft der Kirchen schwinden, aber keineswegs die Kraft ihrer Geschichten. Diese, vielleicht ihre eigentlichen Schätze, treten im Advent ins Licht, wie die gefüllten Schuhe am Nikolausmorgen. Aber all diese Schuhe machen sich danach auf verschiedene Lebenswege. Ganz gleich, ob sie mit großer oder kleiner Kraft in den Weg getreten werden, ihre Träger tragen alle Verantwortung: für leuchtende Kinderaugen oder andere in Not oder gar Stadt und Land. Nein, es ist nicht leicht, der Verantwortung gerecht zu werden. Aber den besseren Weg zu suchen, lohnt sich, glaube ich, denn in den Comics gewinnt immer das Gute. Und das war beim Nikolaus schon so.

Sebastian Schirmer ist Evangelischer Pfarrer im Leipziger Südosten
Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Nikolaus, Foto: Kirchenbezirk Leipzig

Zu wenig Zeit?

Monika Lesch über das Ankommen im Advent

Am Ende des Jahres ist plötzlich wieder nur noch so wenig Zeit übrig.

Ich ertappe mich dabei, wie sich bei mir drei Wochen vor Weihnachten eine innere Unruhe breit macht. Scheinbar fehlt mir für alles die Zeit:

fürs Aufräumen, Geschenke besorgen, mit den Kindern basteln, den Weihnachtsmarkt zu besuchen… Stattdessen hetze ich von Verpflichtung zu Verpflichtung und frage mich, wie lange das noch so weiter geht.

Dabei ist das alles doch eigentlich ganz anders gedacht: Advent – eine Zeit der Erwartung, der Vorbereitung, der Besinnlichkeit und der Vorfreude.

Wörtlich übersetzt bedeutet das lateinische Wort „Advent“ Ankunft, eigentlich Ankunft des Herrn. Denn seit der Geburt Jesu vor über 2000 Jahren warten Christen darauf, dass er wiederkommt und eine neue Zeit anbricht. Damit aber jemand bei mir ankommen kann, muss ich auch erst einmal da sein und darin liegt für mich die eigentliche Herausforderung dieser Tage.

So versuche ich es in diesem Jahr wieder: auf- und auszubrechen aus den Zwängen meines Kalenders, meines Alltags und meiner Erwartungen. Ich möchte Platz schaffen für mich, um bei mir ankommen zu können, und Platz schaffen in meinem Inneren: damit Gott bei mir ankommen kann. Wie gut, dass ich dafür noch drei Wochen Zeit habe.

Monika Lesch, katholische Gemeindereferentin
Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Volker Rahn (fundus-medien)

Wertmarken

Wolfgang Menz mit einem Motto zum Sammeln

Mein Vater sammelte Briefmarken. Mehrmals wurde seine Sammlung prämiert. Kunstvoll gestaltete Seiten unterstrichen das Motto: „Auf dem Weg zu einem vereinten Europa“.

Als Jugendlicher erlebte mein Vater den Krieg. Als Erwachsener hoffte er auf Alternativen dazu: Grenzen, die nicht mehr voneinander trennen. Völker im Frieden. Würde mein Vater noch leben, hätte ich ein Motto für eine erweiterte Sammlung: „Auf dem Weg mit gemeinsamen Werten“. Und gleich hätte ich einige Exemplare für ihn parat:

„Brot für die Welt“, die Marke kostete mal 20 Pfennig, jetzt preiswert für 25 Cent zu bekommen. „Ärzte ohne Grenzen“, zum 50. Bestehen 2021 nicht nur von Deutschland gedruckt. Ganz frisch, seit Februar, wird die „Flüchtlingshilfe“ gewürdigt – für 1,45 Euro (incl. Zuschlag.) Sie zeigt Hände, die wie ein Dach einen sicheren Ort für Geflüchtete schaffen. Das Postwertzeichen 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland trägt den hebräischen Schriftzug chai, lebendig. Damit kann man anstoßen: Auf das (gemeinsame) Leben – LeChaim.

Das Bundesministerium der Finanzen schreibt: „Briefmarken sind weit mehr als reine Postwertzeichen. Sie sind Spiegel der Zeit, Botschafter unseres Landes und Kunstwerke im Miniaturformat.“ Amen – Werte sammle ich gerne – mit Christen und allen anderen, die sie bewahren möchten.

Wolfgang Menz ist Sozialpädagoge

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Album mit Briefmarkten, Foto: Pixabay