sitzende Menschen von hinten, gesehen durch eine Brille

Mut zur Schwäche

André Krause schreibt, warum Schwäche eine Stärke ist  

Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. So lautet eine tröstende Zusage von Gott in der Bibel. Dabei scheint in all den Krisen und Herausforderungen unserer Tage schwach zu sein nicht erstrebenswert. Sich durchsetzen und möglichst alleine klarkommen, lautet eher die Devise. Der Volksmund sagt: hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!

Ich sitze mit jungen Erwachsenen zusammen. Wir sprechen über das Leben, unsere Zeit und den Tod. Nach anfänglichen Allgemeinplätzen beginnt ein junger Mann leise zu erzählen. Davon, wie sehr ihn die aktuelle Situation in der Welt belastet. Er teilt offen mit uns seine Fragen und Ängste. Erzählt, wie er oft nicht weiß, woher er die Hoffnung nehmen soll. Viele in der Runde nicken. Er spricht aus, was andere ebenso bewegt. Was er erzählt, das ist echt, ganz ehrlich. Es löst eine Resonanz aus. Andere schließen sich erleichtert an. Als hätten sie nur auf die Erlaubnis dazu gewartet. Teilen ihre Erfahrungen. Ganz von selbst entsteht eine tiefe Verbundenheit. Wir sind nicht allein. Ein starkes Erlebnis.

Das Gespräch hängt mir noch lange nach. Es war die Schwäche und gerade nicht die Stärke, die eine tiefe Nähe zwischen Menschen geschaffen hatte, die sich kaum kannten. Zu oft versuche ich durch Stärke zu beeindrucken. Nähe – auch die Nähe Gottes – erfahre ich in meiner Schwäche. Das zu glauben, erfordert Mut. Mut zur Schwäche.

André Krause, Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Leipzig

Kontakt: kolumne@kirche-leipzig.de

 

Foto: Lutz Neumeier (fundus-medien)